Route Innenstadt

  • Von Osnabrück in die Welt – Wagenfabrik Klages/Karmann

Fotos

Innenhof der Firma Karmann, Kamp 30-31, 1905
Foto: unbekannt, Sammlungen des MIK

Mitarbeiter der Firma Karmann, Kamp 30-31, 1908
Foto: unbekannt, Sammlungen des MIK

Werkstatt des Stellmachers mit den wichtigsten Werkzeugen und Fabrikationen
Lithografie (Reproduktion), Verlag: Schreiber und Schill, Stuttgart/ Eßlingen, 1840

Werkzeuge einer Stellmacherei, Eisen, Holz, Leder, 19. Jh.
Foto: M. Kiupel, 2021, Sammlungen des MIK

„Luxus-Landaulet-Carrosserie“ der Firma Karmann, Anfang 20. Jh.
Foto: M. Kiupel, 2021, Sammlungen des MIK

Audio

Beschreibung

Schließen Sie einmal kurz die Augen! Was hören Sie? Das hörte sich Ende des 19. Jahrhunderts natürlich ganz anders an!
An dieser Stelle, wo sich heute ein Durchgang in Richtung Ledenhof befindet und als erstes die Universitätsbibliothek ins Auge sticht, wurden im 19. Jahrhundert die Wurzeln für einen der bekanntesten Osnabrücker Industriebetriebe gelegt: den Fahrzeugproduzenten Karmann.

Der Wagenbauer Christian Klages gründete hier 1874 in Osnabrück am Kamp 30-31 die „Wagenfabrik mit mechanischem Betrieb“. Der mit 20 Mitarbeitern größte Wagenbaubetrieb seinerzeit in Osnabrück war als „erstes Geschäft am Platze“ für die hohe Qualität seiner Fahrzeuge bekannt. Laut muss es gewesen sein, wenn hier die Sattler und Polsterer, Tischler, Schmiede und Schlosser in Handarbeit die verschiedensten Fahrzeugtypen wie Landauer, Coupés oder sogenannte Dogcarts anfertigten.
Christian Klages verstarb 1901. Seine Witwe verkaufte den Betrieb an Wilhelm Karmann. Die Automobiltechnik steckte noch in den Kinderschuhen, aber Karmann entschloss sich sogleich, die Produktion von Karosserien für die „selbstfahrenden Kutschen“ aufzunehmen.

„Den ersten Auftrag für einen Autoaufbau erteilten mir die Dürkopp-Werke im Jahre 1902. Da der Aufbau zur Zufriedenheit ausfiel, erhielt ich bald aus der näheren und weiteren Umgebung, aus dem Industriegebiet, aus Rheinland und Westfalen, selbst aus Bremen und Hamburg und Berlin weitere Aufträge, (…) es gelang mir, die Fertigung der Karosserien von Jahr zu Jahr zu vervollkommnen. Die Qualität, Form und Schönheit meiner Aufbauten führten mir immer neue Kunden zu.“

Die einzeln nach Kundenwunsch angefertigten Karosserien bestanden aus einem Holzgerippe, überzogen mit Holz oder Blech. Lackiert wurde per Hand mit Ölfarben. Fahrgestelle mit Motor und Getriebe wurden durch verschiedene Hersteller an Karmann geliefert. Für den Großteil der Bevölkerung blieben diese Gefährte allerdings unerschwinglich.

In der aufstrebenden mittelständischen Stadt Osnabrück mit rund 38.000 Einwohnern tauchten bereits erste Kraftfahrzeuge im Stadtverkehr auf. Selbstverständlich steuerte Wilhelm Karmann einen dieser wenigen Kraftwagen. 1904 waren in Osnabrück 14 Motorwagen und 33 Motorräder registriert! Und diese stinkenden lauten Gefährte waren zwar sicherlich immer wieder eine kleine Sensation, aber nicht alle reagierten begeistert. Der Osnabrücker Volksanzeiger prangerte die rasende Geschwindigkeit der Fahrzeuge an und die Polizeidirektion gab Anweisungen, alle Übertretungen der Fahrverordnung umgehend zur Anzeige zu bringen und, wenn nötig, mit scharfen Strafen vorzugehen.

Dennoch nahm die Fahrzeugproduktion immer mehr Fahrt auf und Karmann fertigte 1908 sogar das erste geschlossene Automobil im gesamten Kaiserreich an: ein Stadtcoupé auf einem Opel-Fahrgestell. Mit wachsendem Erfolg des Unternehmens war es am Kamp bald zu eng. Wilhelm Karmann verlagerte 1911 seinen Betrieb an die Martinistraße, wo er den Ersten Weltkrieg sowie die Weltwirtschaftskrise überstand. Das heute noch von VW betriebene Werk im Osnabrücker Stadtteil Fledder kam 1930 hinzu.

Audioproduktion: Musiktheater LUPE Osnabrück