Route Wueste

  • An der Wiege des Karmann Ghia – Wilhelm Karmann GmbH

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Beschreibung

Wussten Sie, dass hier, in der eng bebauten vorderen Wüste eins der frühen Industriegebiete der Stadt lag? Es bestand aus den „drei großen K“, die alle in nächster Nachbarschaft zueinander lagen: die Gasuhrenfabrik Kromschröder (heute das Studierendenwohnheim am Jahnplatz), die Bettfedernfabrik Künsemülller (heute medicos-Center) – und der weltbekannte Karosserie-Hersteller Karmann. Dieser errichtete hier zwischen Martini- und Weidenstraße nach und nach gleich mehrere Werksgebäude. In diesen fand zwischen 1911 und 1962 fand ein wesentlicher Teil seiner Produktion statt; hier gelang Karmann der Durchbruch zu einem der größten Unternehmen im deutschen Karosseriebau. Er entwickelte und fertigte hauptsächlich für Volkswagen.

Gegründet hatte Wilhelm Karmann sen. die Fabrik in noch beengteren Verhältnissen – am Kamp 31, mitten in der Innenstadt, wo der gelernte Stellmacher 1901 die Wagenfabrik Klages (Abb. Werbeanzeige) übernommen hatte. Zunächst hatte er hier die Produktion von Pferdekutschen weitergeführt. Die Zukunft der Fortbewegung lag für ihn jedoch im Automobil und bereits 1902 entstanden im sog. „Werk I“ die ersten Karosserien. Ein Zeitungsartikel von 1904 bestätigt Karmanns Einschätzung:
„Indessen allenthalben begegnet man diesem Vehikel bereits auf der Straße, und wenn es sich auch nicht so elegant wie das vielgepriesene Zweirad ausnimmt, so hat es doch den Vorteil, daß der Fahrer seine Beinmuskeln nicht anzustrengen braucht, was in dem Zeitalter der wachsenden Bequemlichkeit immerhin auch schon etwas bedeuten will.“

Viel zu enger Raum und die Belästigung der Anwohner*innen durch ohrenbetäubenden Lärm veranlassten den Unternehmer zum Kauf der Maschinenfabrik und Eisengießerei Lindemann an der noch relativ unbewohnten Martinistraße. Dieses spätere „Werk II“ hatte seine Zufahrt direkt rechts neben der Hausnummer 59, dem Wohnhaus Wilhelm Karmanns. Wie noch viele Fabrikbesitzer der damaligen Zeit wohnte er direkt neben der Fabrik.

Die Ausweitung der Produktion zwischen den Weltkriegen erforderte eine erneute Erweiterung um „Werk III“, heute Martinistraße 93-95. Dort war der Modellbau untergebracht. An der Weidenstraße, heute „medicos-Center“, entstand „Werk IV“, das erste Presswerk. Für „Werk V“, in dem die Werkzeuge für die Karosserieproduktion hergestellt wurden, war in der vorderen Wüste jedoch kein Platz mehr. Dieses wurde deshalb im Fledder an der Neulandstraße angesiedelt. Die geplante Umgehung für die täglichen 25 LKW von Stadtteil zu Stadtteil blieb unvollendet.

Nach schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurden ab 1949 an der Martinistraße wieder Cabriolets für VW gebaut. Im Jahr 1951 waren insgesamt 1400 Arbeiter*innen in allen Werken beschäftigt. Am 15. August 1952 lief das 10.000ste VW-Cabriolet vom Band. Zehn Jahre später siedelte die Firma ganz nach Fledder um.